Biologisches Forschungszentrum Szeged – Forschungsgrundlagen und persönliche Kontakte
Die Gründung des Biologischen Forschungszentrums (Szegedi Biológiai Kutatóközpont – SZBK) der Ungarischen Akademie der Wissenschaften (Magyar Tudományos Akadémia – MTA) in Szeged wurde durch die starke Entwicklung der Biowissenschaften veranlasst. In den 1960er Jahren wurde es zunehmend möglich, physiologische Phänomene auf physikalischer und chemischer Basis zu untersuchen. Die Erkenntnis, dass sich die medizinischen und die Agrarwissenschaften aus sich selbst nicht schnell genug entwickeln können, führte ebenfalls zur Stärkung der biologischen Grundlagenforschung. Die Einrichtung eines akademischen Standorts in Szeged löste jedoch von Anfang an ernsthafte politische und wissenschaftsorganisatorische Auseinandersetzungen aus. Die Leitung des Fachbereichs Biologie der MTA zögerte mit der Zusage zu einer Niederlassung im ländlichen Raum, da sie befürchtete, dass dies zu einem "langsameren Fortschritt in der Biologie" führen würde.
Die damalige Kulturpolitik der Dezentralisierung entschied sich jedoch zugunsten von Szeged. Der Grundstein des Zentrums wurde am 4. April 1968 gelegt, einem wichtigen Datum zu jener Zeit. Dank des raschen Baufortschritts konnte der Präsident der Akademie, Tibor Erdey-Grúz genau drei Jahre später, im April 1971 den ersten neuen Anbau feierlich einweihen. Das Gebäude beherbergte damals bereits alle vier Institute – für Pflanzenbiologie, für Genetik, für Biophysik und für Biochemie –, in denen mit der wissenschaftlichen Arbeit gleich begonnen wurde. Die ursprüngliche Idee war, sich auf die "Bioregulation" zu konzentrieren, die Untersuchung der Regulierung von Lebensprozessen. Sie hatten vor, die Regulierung der Funktion von Genen, die Regulierung bestimmter Stoffwechselprozesse, die Entwicklung der Abwehrmechanismen des Körpers, die Umwandlung von Energie bei der Photosynthese und die Bildung bestimmter Elemente der Photosynthese zu untersuchen. Der Schwerpunkt lag auf dem pflanzlichen Stoffwechsel, insbesondere auf der Resistenz gegen Pflanzenviren. Daneben wurde die Behandlung bestimmter Aspekte der Pflanzen-, Insekten- und Humangenetik geplant.
Der offizielle Geburtstag des SZBK ist der 11. Oktober 1973, das Datum der Einweihung des Gebäudes. Der geistige Vater der Einrichtung ist der damalige Vizepräsident der MTA, der erste Generaldirektor des Instituts für Biochemie, Akademiemitglied F. Bruno Straub. Neben den anderen Leitern des Instituts – Lajos Alföldi (Genetik), Gábor Farkas (Pflanzenphysiologie), András Garay (Biophysik) – nahm auch der ehemalige berühmte Professor und Rektor der Universität, Nobelpreisträger Albert Szent-Györgyi an der Einweihungsfeier teil.
Einen besonderen Auftrieb erhielten die Forschungen zu Beginn durch die so genannte UNDP-Förderung (United Nations Development Programme) in Höhe von 1,25 Mio. USD, was für die ungarische sozialistische Wissenschaft eine außergewöhnliche Summe darstellte. Auf diese Weise konnte das Zentrum in Szeged auf fast einzigartige Weise Studienreisen ins Ausland finanzieren, Konferenzen organisieren und renommierte Wissenschaftler einladen. Das Institut fand schnell Eingang in die westlichen akademischen Kreise.
Die traditionsreiche biophysikalische Forschung in Ungarn hat die Grundlagenforschung des Instituts für Biophysik gefördert – dieses Institut ist nunmehr unabhängig vom Lehrstuhl für Biophysik der Universität. In den eingerichteten Arbeitsgruppen wurden wissenschaftliche Fragen, die sich in lebenden Systemen stellen, unter physikalischen Gesichtspunkten untersucht, wobei teilweise Instrumente und Methoden eingesetzt wurden, die zur Untersuchung der physikalisch-chemischen Eigenschaften unbelebter Materie entwickelt worden waren. Zunächst wurden drei Forschungsgruppen eingerichtet, die sich mit der biologischen Asymmetrie, mit den elektrischen und physikalischen Eigenschaften von Membranen und mit den Mechanismen der Signalübertragung im Nervensystem beschäftigten. Doch schon bald wurde die Tätigkeit des Instituts um einen vierten Bereich erweitert.
Mehrere wichtige Persönlichkeiten kamen nach Szeged, darunter Jenő Tomasz, der Leiter der Gruppe für Nukleotidchemie wurde. Die Forschungsthemen der kleinen Arbeitsgruppe wurden von ihm festgelegt. Seine ersten Kollegen waren András Simoncsits, Sándor Bottka und János Ludwig. Sie beschäftigten sich zunächst mit der Synthese und der Charakterisierung von relativ einfachen Nukleotidderivaten. Die Arbeit begann mit der strukturangepassten Synthese eines natürlichen Nukleotidanhydrids, das einige Jahre zuvor isoliert worden war. Die Verwendung von Ammoniumhydroxid anstelle von Wasser bei der Synthese des Intermediärs führte zu unerwarteten Ergebnissen und zur Entdeckung bisher unbekannter Nukleotidderivate. Diese Experimente können auch als Vorläufer der DNA-Synthese angesehen werden, die sich erst viel später verbreitete.
Katalin Karikó wurde 1978, als Stipendiatin der Ungarischen Akademie der Wissenschaften in die Arbeitsgruppe von Jenő Tomasz eingeladen. Die Molekularbiologie, die sich auf das Verständnis der Struktur und Funktion von Nukleinsäuren stützt, entwickelte sich zu dieser Zeit zum weltweit dominierenden Bereich der Biowissenschaften. Die Forschungswerkstatt, an der Katalin Karikó im Rahmen ihrer Promotion teilnahm, repräsentierte die Weltklasse der damals aufkommenden Disziplin. Sie waren das "RNA-Labor". Katalin Karikó erhielt den Schreibtisch von András Simoncsits, der zum Institut für Genetik wechselte. Die so genannte mRNA, die das Protein kodiert, ist sehr lang und enthält Hunderte oder Tausende von Nukleotiden. Damals konnte mRNA noch nicht hergestellt werden, weil das heute verwendete Enzym RNA-Polymerase noch nicht zur Verfügung stand. So wurde Katalin Karikó in den späten 1970er Jahren, als nur sehr kurze RNA-Stücke von 3-4 Nukleotiden chemisch synthetisiert werden konnten, mit der Untersuchung der antiviralen Wirkung dieser Moleküle beauftragt.
Die Suche nach antiviralen Molekülen war für die Pharmaindustrie von großem Interesse, und das Projekt wurde von der Pharmafirma Chinoin unterstützt. Gemeinsam mit János Ludwig wurden sie mit der synthetischen Herstellung des Moleküls und seiner Einbringung in Zellen beauftragt. Zu dieser Zeit war unter Versuchsbedingungen die Elektroporation die einzige Methode zum Transfer des Moleküls. Die Elektroporation war jedoch nicht auf Menschen anwendbar und die Finanzierung wurde bald eingestellt. Zur gleichen Zeit beteiligte sich Katalin Karikó an mehreren Forschungsprojekten am Institut für Biochemie und arbeitete mit Ernő Duda und Éva Kondorosi zusammen.
Das Labor von Tomasz hatte eine Reihe von Ergebnissen vorzuweisen. Hier haben die Forscher der Nukleotidchemie erstmals die einfachsten Nukleosidphosphodiamidate, diese ungeladenen Nukleotidderivate beschrieben und eine Methode zu ihrer allgemeinen Synthese entwickelt. Außerdem ist es ihnen gelungen, Polynukleotide zu synthetisieren, die als Modell für biologisches Erbmaterial (DNA, RNA) gelten können. Eines der bemerkenswertesten Ergebnisse ist die RNA-Sequenzierungsmethode von András Simoncsits. Die Bedeutung der Arbeit in diesem Labor liegt auch darin, dass Katalin Karikó hier begann, mit Viren zu arbeiten und zum ersten Mal modifizierte Nukleoside zu verwenden.
Nach der Auflösung der Forschungsgruppe setzte Katalin Karikó, nachdem sie am Institut für Biophysik des SZBK Berufserfahrung gesammelt hatte, 1985 ihre Forschungen in Philadelphia, USA fort, die eine integrale Fortsetzung des in Szeged kennengelernten Themas waren.
Zu Weihnachten 1997 schrieb die Forscherin aus Philadelphia an Jenő Tomasz:
"Als Sanyi [Sándor Bottka] zu Besuch kam, erinnerten wir uns an die guten alten Zeiten, als wir beide in Ihrer Gruppe arbeiteten. Anscheinend arbeitet jeder von unserer kleinen Gruppe immer noch an Nukleotiden, und darauf können Sie ausgesprochen stolz sein. Ich bin mit meinem Los zufrieden und ich bin Ihnen dankbar, dass Sie mich auf diesen Weg gebracht haben."